Gewerkschaften machen tolle Angebote: Solide Werte und Solidarität getragen von Millionen von Kolleg*innen, Schutz und Beratung, gute Arbeitsbedingungen, Verbesserung der Work-Life-Balance und nicht zu vergessen jährliche Lohnsteigerungen. Das alles bietet Gewerkschaft.
Doch dieses einmalige Angebot muss die Menschen auch erreichen. Für die Kommunikation bietet sich natürlich insbesondere der digitale Weg an – dabei gilt es bei und für Gewerkschaften einiges zu beachten, zu diskutieren und viele Besonderheiten zu betrachten.
Eine Diskussion über die Grenzen des Datenschutzes.
Online-Werbung wird in diesem Jahr weltweit über eine halbe Billion Euro umsetzen – davon circa 13 Milliarden Euro alleine in Deutschland.
Werbung auf digitalen Kanälen erreicht uns heute überall, direkt und persönlich: Auf unserem Handy und auf unserem Arbeitsrechner. Über Mailings, Social Media oder Display-Werbung. Meist auf unsere persönlichen Merkmale, auf unsere Mobilität und unsere Kaufhistorie abgestimmt.
Auch und gerade für Gewerkschaften und Mitgliederorganisationen liegen hier enorme Potenziale:
Beste Möglichkeiten um gerade in der Fläche hunderttausende Beschäftigte zu erreichen.
Aber dafür braucht es unter anderem: Data Mining, Zielgruppen Segmentierung, Personalisierung, Predictive Analytics, Lookalike-Audiences, Behavioral Targeting, Multichannel Attribution und weitere Techniken des Data-Driven Marketing auf Basis eines wirkungsvollen Customer-Relationship-Management (CRM). Wer jetzt denkt das klingt gruselig hat nicht ganz unrecht, denn mit einigen dieser Techniken werden bewusst die Grenzen des Datenschutzes ausgelotet. Für Agenturen gilt es daher, auf Gewerkschaften zugeschnittene Lösungen anzubieten, abseits von der „alles ist möglich, die Grenzen sind fließend-Mentalität“. Wobei diese Position mit einem undifferenzierten Blick auf die reine Wirkung und den Erfolg von Maßnahmen durchaus ihre Berechtigung hat. Aber Gewerkschaften tragen hier eben eine besondere Verantwortung. Und bei der Nutzung dieser Techniken für die gewerkschaftliche Kommunikation, gilt es diese Verantwortung zu kennen.
So betrachten wir Datenschutz als ein Kontinuum – wo genau wir uns darin befinden, hängt von der Auslegung sich ständig ändernder Rechtsprechung und der jeweils gewählten Maßnahme ab. Aber die jeweilige Position sollte bei jeder Maßnahme bekannt sein und darüber offen kommuniziert werden: Zwischen Ermöglichern wie Agenturen und Kunden bzw. deren Datenschutzbeauftragten. Im letzten Jahr hatte die Datenschutzkonferenz der Datenschutzaufsichtsbehörden in ihrem FAQ folgenden Satz veröffentlicht:
"Der Betrieb von Facebook-Fanpages ist rechtswidrig." Punkt.
In aller Kürze die Kaskade der Begründung: Facebook betreibt das Angebot auch für Werbezwecke. Ergo: Jeder Seiten-Verantwortliche muss über die Nutzung der Daten dem betroffenen Auskunft erteilen. Und wenn man eine Fanpage betreibt, ist man mit Facebook gemeinsam verantwortlich. Ergo: Auch Betreiber einer Fanpage müssen diese Auskunft erteilen können. Das könnt ihr nicht (wie auch!?). Ergo: Rechtswidrig.
All dies würde keine privaten Facebook-Seiten betreffen, jedoch alle offiziellen Fanpages z.B. von Organisationen. Uns ist nun aber keine Gewerkschaft bekannt, die auf Basis dieser Empfehlung der Datenschutzkonferenz, ihre Fanpage offline genommen hat. Dies würde auch bedeuten das Gewerkschaft als offizieller Akteur auf Social Media nicht mehr vorkäme.
Das ist kaum verhältnismäßig – aber an welcher Position befinden wir uns hier im Datenschutz-Kontinuum? Bei allen harten Datenschutzfragen, spielen eben auch weichere in den moralischen Raum hineinragende Argumente eine Rolle, die immer konkret diskutiert werden müssen:
Neben allen zuerst einmal relevanten harten Datenschutzfragen, kann man zum Beispiel argumentieren, dass Facebook-Kampagnen übergriffig sind, weil die Möglichkeiten zur Personalisierung der Anzeigen zu weit gehen. Da Menschen z.B. in Similar Audiences zusammenfasst, und nur auf Grund übereinstimmender Merkmale mit einer anderen Gruppe ohne vorangegangenen Anlass aktiv mit Werbung bespielt werden. Entgegenhalten kann man dann, dass dafür aber die Menschen erreicht werden die man mit der jeweiligen Kommunikationsmaßnahe im Blick hatte. Und dass diese Menschen oftmals auch Informationen erhalten die für sie wirklich relevant sind, was wiederum die Wahrscheinlichkeit zur Interaktion mit dem gewerkschaftlichen Angebot erhöht. Daneben stehen Keyword-Kampagnen bei denen Menschen, die aktiv z.B. über Google nach Wissen oder Angeboten suchen (oder gesucht haben), eben dies oder damit verwandte Themen angezeigt wird.
Diese Art der Online-Werbung ließe sich dann ggf. leichter begründen. Wenn wir diese Fragen so diskutieren verlassen wir aber den Pfad der juristischen Begründung und bewegen uns in Richtung der wertbasierten Argumentation – die für Gewerkschaften leitend sein sollte.
Und diesen Fragen und Diskussionen müssen wir uns stellen: Agenturen und Gewerkschaften gleichermaßen. Denn alles fließt – insbesondere beim Datenschutz. Politisches Performance Marketing muss daher besondere Wege gehen. Hier werden nun mal keine Toaster oder Staubsauger beworben – hier werden Werte kommuniziert.
Zum Schluss möchten wir noch auf einen traditionellen Weg der Kommunikation für Gewerkschaften verweisen, der schlau kombiniert mit digitaler Unterstützung, weit mehr Erfolg bewirken kann als so manches hochdotierte Online-Werbebudget: Zentrale Kommunikation über dezentrale Kommunikationskanäle – vom einfachen Mailing über Social Media bis hin zu Messenger-Diensten. Unsere Erfahrung hat uns immer wieder gezeigt: Mit der Unterstützung passender digitaler Werkzeuge kann die einmalige Struktur von Gewerkschaften, mit ihren vielen Multiplikatoren (Hauptamtliche, Ehrenamtliche, Vertrauensleute, Betriebsräte, Aktive und Mitglieder), nicht nur wirkungsvoll kommunizieren, sondern vieles bewirken.